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PUPPEN, FIGUREN, SOFT ART

Kea Tute zu ihrer Arbeit in Deutsches Textilforum
(Heft 4/1983)

Puppen haben viel mit Menschen zu tun. Ihre Herstellung bedeutet ständige Auseinandersetzung mit Physionomien, Charakteren, mit Haltungen. Sie sind einerseits der Versuch, die Fülle von Eindrücken unterschiedlicher, aber sich wiederholender Menschentypen festzuhalten, andererseits eine Möglichkeit, Wunschformen einer phantasiegeprägten, anders gearteten, bunten Umwelt Ausdruck zu verleihen. Puppen, die sich mit der Realität auseinandersetzen (nachstehend nur noch ‚Figuren' genannt als Abgrenzung zur Nostalgie-,Spielzeug- und Kunstgewerbepuppe), können aufzeigen was möglich ist und was nicht, was unangenehm ist und was nicht; sie sind ablesbar und lösen im Betrachter Mechanismen des Wiedererkennens aus, oft Ängste oder Ablehnung. Ungeschützt durch beispielsweise Abstraktionselemente, überwirklich in ihrer Dreidimensionalität, können Figuren eine erschreckende, bis zur Unerträglichkeit reale Ausstrahlung haben, ohne unbedingt selbst skurril zu sein. Anders als ein Bild oder eine Plastik scheint eine Figur in größter Unmittelbarkeit an die ureigenen unbewußten Fundamente des Betrachters zu rühren.

Figuren sagen etwas über Begegnungen aus. Sie können Gefühle, Ängste, Aggressionen auslösen. Wichtig für mich ist die Darstellung der Flüchtigkeit einer Begegnung, der fixierte Augenblick, auf dem Papier nur durch Skizzen möglich, in meinen Figuren durch Verwaschenes, Zerrissenes, Verwischtes erkennbar. Ich stehe immer wiedervor der Schwierigkeit, das wesentliche Element einer Skizze in das Dreidimensionale zu übertragen. Nicht die erlernbare handwerkliche Fertigkeit ist in erster Linie wichtig, sondern die vermittelte Aussage.

Seit fünf Jahren bilden Puppen meine Existenzgrundlage. Fünf Jahre kontinuierliches kreatives Schaffen, ständige Auseinandersetzung mit Materialien, Eindrücken und handwerklicher Enwicklung. Es ist ein immer neuer Kampf mit dem Zufall. Vieles überlasse ich ihm und versuche, ihn dann durch Beobachtung und Erkennen seines Verhaltens unterzuordnen. Selten entsteht etwas nach einer Vorlage oder einer vorgefaßten Idee. Zwar ist der gedankliche Entwurf vorher da, aber während der Arbeit verändert er sich und das Ergebnis hat selten etwas mit der ursprünglichen Idee zu tun. Für mich ist das Wichtigste beim kreativen Gestalten zu beobachten, wie sich ein Material verhält, seine Eigenlebigkeit zu erkennen und selbständig werden zu lassen. Ich versuche, mit dem Material zu arbeiten und nicht gegen es, indem ich seine Struktur, seine Beschaffenheit und seine Eigenarten prüfe und gerade diese hervorhebe und benutze. Das heißt, ich kann von einem Stoff nicht die Ausdrucksmöglichkeit von Gips erwarten, sondern ich muss sehen, wo die Ausdrucksgrenzen und die Vorteile des Stoffes liegen und diese einsetzen.So öffnet sich eine ungeheure Palette an Ausdrucksmöglichkeiten, da jedes Material eine andere Sprache spricht; für mich Ausgangspunkt,um mit den unterschiedlichsten Materialien zu experimentieren, sie zu entfremden und zu verändern, Es ist die Möglichkeit, totes Material durch die Beobachtung von Reaktionen leben zu lassen. Die Unberechenbarkeit der Entstehungsmomente und der Ergebnisse ist Erlebnis genug, um einer wachsenden Faszination an dem Metier freien Lauf zu lassen. Figuren herzustellen bedeutet immer eine Konfrontation mit sich selbst, mit der Vergangenheit, mit dem gegenwärtigen Umfeld. Ein immer wiederkehrendes Phänomen ist die Beobachtung, daß Puppengesichter oft dem Gesicht ihres Schöpfers ähneln. Ihr direkter Bezug zueinander ist so stark, daß die Figur ebensoviel über sich selbst wie über den Hersteller aussagen kann. In diesem Sinne ist das Figurenmachen etwas sehr Intimes. Es gibt kein Schema und kein sich wiederholendes Strickmuster, jeder Kopf, jede Gesichtsbemalung, jeder Körper und jedes Kleidungsstück ist eine neue Aufgabe der Auseinandersetzung, nicht wiederholbar und immer wieder die höchsten Anforderungen an Kreativität stellend. Vielleicht ist dies der Grund dafür, daß es eines sehr langen Atems bedarf um ‚dabeizubleiben' und in dem ständigen Kampf mit der Figur nicht zu unterliegen. Nur in dieser ständigen Auseinandersetzung ist es möglich, der Aussagekraft einer ‚Puppe' gerecht zu werden.

Es ist ein schwierig Ding, die ‚Puppe'.
Zwischending zwischen modellierter Plastik und Handarbeits-know how, oft mit einem Fuß im seichten Kunstgewerbe und mit dem anderen in den künstlerischen Ansprüchen einer ‚höheren' Ausdrucksform.




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"Wovon träumt ein Kopf aus Gips?"
erschienen am 22. Juni 1991 in der Welt